F*ck you, Mister Rich


»Guten Tag zusammen!«

Ein Lächeln wie aus der Zahnpastawerbung. Haare wie Ken, nur in dunkel. Und ein Anzug, der wahrscheinlich so teuer ist wie zwei meiner Monatsmieten. Ich kann ihn jetzt schon nicht leiden.

»Wie schön, Sie endlich kennenzulernen, Mr. Reed!«, ruft Priscilla ekstatisch aus und macht den Eindruck, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen, was eventuell auch an ihrer penetranten Parfumwolke liegen könnte.

»Oh, bitte nennt mich doch Carson«, bietet Mr. Colgate großzügig an und sein Lächeln wirkt wie festgefroren. Absolut unecht. Merkt das denn keiner?

Nach dem Händeschütteln mit meinem Dad und einem merkwürdig steifen Küsschen-Küsschen mit meiner Schwester, bin ich an der Reihe.

»Ähm ...« Er stockt.

»Was ist los?«, frage ich und halte ihm die Hand hin. »Text vergessen? Gehirn eingefroren?«

»Joel!«, kreischt Cissy wütend.

»Entschuldigung.« Er schüttelt meine Hand mit einem schlaffen Händedruck. »Joel also?«

»Richtig. Cissys Bruder.«

»Halbbruder«, korrigiert Priscilla. Klar, der Typ soll ja nicht denken, ihre wertvolle Tochter hätte großartig was mit mir gemeinsam.

»Darauf legt sie Wert«, raune ich diesem Carson zu und ziehe eine Grimasse.

»Verstehe.« Er wirkt verwirrt. Irgendwas hat ihn aus dem Konzept gebracht. Haben die ihm etwa gar nicht gesagt, dass ich auch da sein werde?

»Lasst uns raus in den Garten gehen«, schlägt Dad vor und unterbricht die peinliche Stille. »Der Grill heizt schon.«

Cissy hakt sich bei Carson unter und stöckelt mit ihm und meinen Eltern hinaus. Ich bilde die Nachhut. Das ist alles noch absurder, als ich es mir vorgestellt hatte.

»Oh, bevor ich es vergesse«, verkündet Carson plötzlich, »ich habe selbstverständlich Gastgeschenke für euch mitgebracht. Ich Dussel habe sie nur im Auto liegen lassen. Wenn ihr mich kurz entschuldigt, dann gehe ich sie holen.«

Er macht sich aus dem Staub und ich frage mich ernsthaft, ob er überhaupt wiederkommt oder ob das so eine Nummer à la »Ich bin mal Zigaretten holen« ist. Muss sein armer Chauffeur etwa die ganze Zeit vor der Tür warten? Quasi als Fluchtwagen?

»Sieht er nicht gut aus?«, fragt Cissy mit leuchtenden Augen.

»Ja, er ist wirklich sehr attraktiv«, pflichtet Priscilla bei. »Attraktiv und wohlhabend. Du hast den Jackpot geknackt, meine Süße.«

»Hm, das ist ja auch die Hauptsache«, murre ich. »Innere Werte sind ja eher was für Loser.«

»Wenn du nur wenigstens versuchen würdest, deinen Neid zu verbergen, Joel!«

»Pff. Kannst du mal mit diesem Neidgefasel aufhören, Priscilla? Was soll ich denn mit so einem Typen?«

»Ich–«

Sie verstummt, weil Carson mit einem selbstgefälligen Grinsen und drei Geschenkpaketen zurückkehrt. »Hier, bitteschön. Das hier ist für dich, Cecily, meine Teuerste.«

Er nennt Cissy bei ihrem amtlichen Namen Cecily und meine Teuerste? Im Ernst?

»Und hier, für dich, Priscilla.«

»Oh, vielen Dank!« Meine Stiefmutter fächelt sich Luft zu, ehe sie das Geschenk entgegennimmt.

»Und das hier ist für dich, Don.« Er reicht meinem Vater sein Geschenk.

»Und ich krieg nur ’nen feuchten Händedruck oder was?«, hake ich nach.

»Ähm ...« Carson wirkt unbehaglich. Das gefällt mir. »Ich wusste nicht, dass du ... also, ich wusste nicht, dass es dich gibt.«

»Ah, wurde ich mal wieder verschwiegen.« Ich werfe einen düsteren Blick in Richtung meiner Familie, die mich gar nicht beachtet, sondern ihre teuren Klunker und Uhren auspackt. »Ich wünschte, sie wären dann auch konsequent genug gewesen, mich nicht zu diesem Barbecue hier zu nötigen.«

»Wieso?«

»Na, seh ich etwa aus, als hätte ich hier drauf Lust?«

»O Darling, diese Kette ist so traumhaft!«, kreischt Cissy und fällt Carson um den Hals. »Und die Ohrringe dazu! Sie werden so gut zu meinem neuen, lila Kleid aussehen, das du mir gekauft hast!«

»Nur das Beste für dich«, erwidert Carson und gibt ihr ein verkrampftes Küsschen. Das stinkt doch zum Himmel!

»Dieses Perlenarmband ist genau so etwas, was ich mir immer gewünscht habe«, erklärt auch Priscilla pathetisch. »Schon viele, viele Jahre. Mein Mann ist da nur ... weniger aufmerksam.«

Hallo? Dad kann sich so einen Scheiß schlicht nicht leisten, du blöde Kuh. Zum Glück hat er ihre Sticheleien wohl gar nicht mitbekommen, denn er ist zu beschäftigt mit seiner Uhr.

»Tolles Ding«, murmelt er. »Wirklich, wirklich toll. Viele Funktionen. Bis wie viel Meter ist die wasserdicht?«

»Bis zweihundert Meter.«

»Wow! Großartig.«

Ja, total sinnvoll, wo Dad gar nicht tauchen geht. Da kommt die Uhr höchstens mal unter den Wasserhahn.

Carson wendet sich wieder an mich und wirkt immer noch zerknirscht. »Ich werde noch etwas für dich–«

»Nicht nötig«, unterbreche ich ihn. »Im Gegensatz zu allen anderen hier bin ich nicht bestechlich.«

»Das ist keine–«

»Ja, ja.« Ich winke ab. Mir machst du nichts vor, Richie Rich. »Ich brauch nichts, ehrlich. Bin wunschlos glücklich. Und jetzt muss ich mal für kleine Halbbrüder.«

Ich verziehe mich ins Haus. Brauche dringend eine Pause von diesem Schmierentheater. Merkt denn keiner, dass hier was faul ist? Zwischen diesem Typen und meiner Schwester gibt es praktisch null Chemie. Warum zur Hölle hat er sie ausgesucht? Was soll das? Sucht er eine, die er einfach nach seinem Willen formen kann? Cissy würde alles tun, um einen reichen Typen in jeder erdenklichen Hinsicht bei der Stange zu halten. Das ist leider der schlechte Einfluss meiner Stiefmutter, die sich scheinbar immer noch ärgert, dass sie nur meinen Dad abgekriegt hat. Der sich ständig für sie zum Affen macht.

Ich muss mich echt zwingen, wieder raus in den Garten zu gehen. Inzwischen liegen die Burger auf dem Grill, Cissy und Priscilla kauen Mr. Rich ein Ohr ab und ich drücke mich bei den Hecken herum, um alles zu beobachten und dabei möglichst in Ruhe gelassen zu werden. Ich habe das Gefühl, Priscilla und Cissy reden besonders laut, damit auch ja alle Nachbarn mitbekommen, dass ein reicher Mann aus dem Fernsehen bei uns zu Gast ist.

Irgendwann wird es mir doch zu langweilig und ich spaziere zu unserem Gast hinüber, denn ich habe eine Frage. »Sag mal, warum kommst du eigentlich hierher, anstatt uns auf eine deiner Yachten einzuladen? Du hast doch ’ne Yacht, oder?«

»Joel!«, ermahnt mich Priscilla zum hundertsten Mal an diesem Tag. »Reiß dich endlich zusammen!«

»Was?« Ich hebe unschuldig die Hände. »Also wenn er Cissy abschießt, nur weil ich ihm ein paar Fragen stelle, dann war er eh nie an ihr interessiert und verdient sie sowieso nicht.«

»Ich lade euch gern mal auf meine Yacht ein«, erklärt Carson und macht eine beschwichtigende Geste nebst einem eingebildeten Zahnpastagrinsen. »Ich wollte nur nicht den Eindruck erwecken, ich sei mir zu fein, um hierherzukommen.«

Ehe ich etwas antworten kann – und ehrlich, mir lag eine garstige Erwiderung auf der Zunge –, ruft Dad das große Burgeressen auf.

Alle stürmen zum Grill, als ob es da was Leckeres gäbe. Ich weiß, dass es nicht so ist, und lasse mir Zeit. Meinen Höflichkeitsburger werde ich mit einer Gallone Bier runterspülen müssen. Bis dahin amüsiere ich mich köstlich, wie Mr. Rich sich erwartungsfreudig den ersten Burger auftischen lässt. Vielleicht weiß der Kerl einen guten Burger tatsächlich zu schätzen, aber den wird er hier nicht bekommen. Vielleicht schaffen es ja die Dinger, ihn zu vergraulen. Den ersten Bissen muss ich unbedingt beobachten. Gleich ist es so weit ... gleich ... uh, diese Miene! Diese Enttäuschung in seinen Augen. Herrlich! Er dreht sich zur Hecke und ich würde mich nicht wundern, wenn er den Bissen heimlich ausspuckt.

»Na?«, rufe ich, als ich grinsend zu ihm hinüberspaziere. Kumpelhaft lege ich ihm einen Arm um die Schultern. »Lecker, nicht wahr?« Gemein sein: kann ich.

»Ja ... sehr lecker«, erwidert er tapfer und wenn er nicht der wäre, der er ist, hätte ich Mitleid mit ihm.

Ich senke meinen Mund ganz nahe an sein Ohr. »Lügner«, raune ich ihm zu. »Es schmeckt beschissen. Furztrocken und versalzen und wir alle wissen das.« Ich klopfe ihm auf den Rücken, er hüstelt leise und ich wende mich ab. Muss mir jetzt leider auch meinen Burger holen.

Wie immer würge ich das Ding mit zwei großen Bissen hinunter und spüle mit einer kompletten Dose Bier nach. Darf ich jetzt rülpsen, damit sich alle über meine schlechten Manieren aufregen können? Wenigstens die Dose zerknittern und versuchen, den Abfalleimer zu treffen? Ups, daneben.

»Ich geh mal vors Haus, eine rauchen«, verkünde ich der Runde. Ich brauch schon wieder eine Pause.

Carson, der sich gerade wieder von Priscilla und Cissy bewundern lässt, blickt auf. »Ich komme mit!«

»Was, du rauchst?«, entfährt es mir.

»Gelegentlich, ja.«

»Du musst dazu nicht mit ihm vors Haus gehen«, verkündet meine Stiefmutter honigsüß. »Du kannst gern auch hier rauchen.«

»Na so was«, bemerke ich lautstark, »ich hab hier im Garten immer striktes Rauchverbot. Aber ich hab eben auch keine Millionen auf dem Konto.«

»Schon gut.« Carson winkt ab. »Ich gehe mit Joel vors Haus. Ich denke, wir könnten vielleicht sowieso mal ein Gespräch unter Männern führen? Ich habe den Eindruck, dass ich, nun ja, einen falschen Eindruck auf ihn mache.«

»Kein Scheiß, Mann.« Was will der? »Komm halt mit.«

Er folgt mir durchs Haus hinaus auf die Veranda. Ich hab die Veranda an Sommerabenden wie heute immer gemocht, hab gern auf der Schaukel gesessen, vor mich hingeträumt und meine Ruhe vor den anderen gehabt. Die bekomme ich heute offensichtlich nicht.

»Okay, Klartext«, sagt Carson plötzlich und das schleimige Grinsen weicht aus seinem Gesicht. »Was hast du gegen mich?«

»Nichts. Wenn ich was Wirksames gegen dich hätte, dann hätte ich es schon längst eingesetzt.«

»Oh, ha, ha, ha.« Er stemmt die Hände in die Hüften. »Ehrlich, was ist dein Problem? Was habe ich dir getan? Denkst du, ich merke nicht, dass du mich vergraulen möchtest?«

 

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